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12. Juni 2025

Neubau der Staatsoper: Hamburgische Architektenkammer fordert Transparenz, Wettbewerb, Qualität und Stärkung der Innenstadt

Die Hamburgische Architektenkammer nimmt zum Vertrag zwischen der Kühne-Stiftung und der Stadt Hamburg über den Neubau eines Opernhauses in der HafenCity wie folgt Stellung:

1. Mehr Öffentlichkeit wagen
Die Hamburgische Architektenkammer begrüßt im Grundsatz das Vorhaben, den Musikstandort Hamburg zu stärken. Sie würdigt darüber hinaus die Grundsatzentscheidung, dass das baugeschichtlich und gestalterisch bedeutende Opernhaus an der Dammtorstraße auch bei einer Verlegung der Oper in einen Neubau erhalten bleibt und kulturell genutzt wird. Die HAK bedauert jedoch, dass das Projekt Neubau Staatsoper hinter verschlossenen Türen entwickelt wurde und so vor Vertragsunterzeichnung keine fachliche Expertise eingeholt, keine Information der Öffentlichkeit erfolgte und keine öffentliche Diskussion der Planungen stattfand. So wurde die Grundfrage, ob die Stadt Hamburg überhaupt ein neues Opernhaus benötigt, und wenn ja, welches und an welcher Stelle, nie öffentlich diskutiert. Dies ist der gesamtstädtischen, ja, bundesweiten Bedeutung eines solchen Vorhabens nicht angemessen.

2. Das Gemeinwohl in den Blick nehmen
• Die Architektenkammer hält es für wichtig zu betonen, dass der Neubau der Oper nicht allein das Geschenk eines Mäzens ist. Die Stadt Hamburg selbst steuert ein überaus wertvolles Grundstück in bester Lage sowie 147 Millionen Euro für die Gründung und den Flutschutz bei. Zudem übernimmt die Stadt auf eigene Kosten die Planung und Herstellung der öffentlichen Freiflächen rings um das Operngebäude.
• Die Architektenkammer kritisiert, dass es keine öffentliche oder politische Diskussion darüber gegeben hat, welche Nutzung für dieses letzte freie Grundstück der HafenCity sinnvoll und angemessen ist. Ebenso gab es keine Diskussion darüber, welche Funktionen ein solcher Neubau umfassen sollte. Es wäre denkbar und sinnvoll gewesen, dass das Gebäude multifunktional geplant wird und neben der Aufführung von Operninszenierungen weitere Nutzungen ermöglicht, die dann auch größeren Bevölkerungskreisen zugutekommen als dem reinen Opernpublikum. Stattdessen wird vertraglich vereinbart, dass das Gebäude ausschließlich für den Betrieb der Hamburger Staatsoper genutzt werden darf und die Kühne Stiftung jeder Änderung des Nutzungszwecks zustimmen muss.

3. Für einen echten Wettbewerb
Die Architektenkammer erkennt zwar an, dass im Vertrag zwischen Stadt und Kühne-Stiftung ein konkurrierendes Verfahren mit verschiedenen Entwürfen zur Findung der besten Lösung für das neue Opernhaus vorgesehen ist. Das festgeschriebene „Qualifizierungsverfahren“ wird jedoch als nicht ausreichend erachtet. Es entspricht in keiner Weise den in der Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW) festgelegten Regeln, die für die Stadt Hamburg die Grundlage bilden für Wettbewerbsverfahren. Kritische Punkte sind:
• Das für das Qualifizierungsverfahren zugrunde liegende Raum- und Funktionsprogramm wird von der Projektgesellschaft in Abstimmung mit den Gesellschaftern erstellt. Damit ist ein Einfluss der Stadtgesellschaft auf die grundlegenden Paradigmen für ein neues Opernhaus nicht gegeben.
• Lediglich mindestens fünf Planungsbüros werden in das Verfahren eingeladen. Eine solch geringe Zahl von teilnehmenden Planungsbüros ist der Bedeutung der Bauaufgabe nicht angemessen.
• Es werden keine Aussagen zum Verfahren der Vorauswahl der teilnehmenden Büros gemacht.
• Im Vertrag wird keine Aussage darüber gemacht, dass, wie in RPW-konformen Wettbewerben festgelegt, im Verfahren Anonymität herrscht – was nahelegt, dass diese aufgehoben wird.
• Es gibt ein deutliches Missverhältnis von Nicht-Fachleuten und Fachleuten in der Jury (im Vertrag „Begleitgremium“ genannt): Nur wenige Personen dieses Auswahlgremiums besitzen die fachliche Qualifikation der Verfahrensteilnehmenden, die große Mehrheit der Mitglieder des Auswahlgremiums hingegen besitzen diese fachliche Qualifikation nicht.
• Das Stifterehepaar besitzt ein Vetorecht. Im Vertrag heißt es: „Dem Begleitgremium ist aufzugeben, den Siegerentwurf (…) nur mit den Stimmen des Stifterehepaars oder der von diesem benannten Vertreter zu bestimmen.“ Hierdurch ist eine unabhängig gefällte und allein nach fachlichen und sachlichen Kriterien ausgerichtete Entscheidung nicht mehr gewährleistet.
• Angesichts der herausragenden Bedeutung eines neuen und weithin sichtbaren Operngebäudes ist aus Sicht der Hamburgischen Architektenkammer ein Architekturwettbewerb nach den Regeln der RPW unabdingbar. Die deutschen Planerinnen und Planer sind sich einig, dass der Architekturwettbewerb das einzig richtige und sinnvolle Mittel ist, um die beste Lösung für solch bedeutende Bauaufgaben zu finden. Zudem wäre eine öffentliche und transparente Festlegung des Programms eines solchen Wettbewerbs notwendig. Die Stadt Hamburg muss hier auch ihrer Vorbildfunktion gerecht werden.

4. Qualität sicherstellen
Dass die Kühne-Stiftung keine Summe für den Neubau veranschlagt und auch nicht mitteilt, welche Maximalsumme sie zu tragen bereit ist, wirft Fragen auf. Es muss sichergestellt werden, dass nicht ein abgespecktes „Opernhaus light“ entsteht, sondern ein vollwertiges Gebäude, das zukunftssicher und nachhaltig ist und höchste gestalterische Güte und Ausführungsqualität besitzt. Skeptisch stimmt in diesem Zusammenhang die Festlegung im Vertrag, wonach die Funktionalität des neuen Opernhauses lediglich „mindestens dem Standard der Bestandsoper entspricht“. Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt völlig unklar ist, wie hoch die Kosten für den Betrieb des fertigen Gebäudes sein werden, die ganz allein von der Stadt Hamburg zu begleichen sind.

5. Der alten Staatsoper eine Zukunft geben und Innenstadt stärken
Die Architektenkammer lobt ausdrücklich das Bekenntnis für einen Erhalt und Weiterbetrieb des baugeschichtlich und architektonisch überaus wertvollen Gebäudes an der Dammtorstraße. Sie kritisiert jedoch, dass diese Zusage bislang nur mündlich erfolgte und dass bis zum heutigen Tag seitens der Kulturbehörde nicht erklärt wurde, welche kulturelle Nutzung das Haus künftig erhalten soll. Die Hamburgerinnen und Hamburger haben ein Recht zu erfahren, wofür das denkmalgeschützte Gebäude verwendet werden soll und welche Umbaumaßnahmen dafür möglicherweise notwendig sind. Wünschenswert wäre zudem eine Einbeziehung der Stadtgesellschaft in die Planungen. Generell ist es so, dass die Verlagerung der Staatsoper zu einem weiteren Bedeutungsverlust der Innenstadt beiträgt. Es ist deshalb sicherzustellen, dass erstens die neue Nutzung der alten Staatsoper für das Gebäude verträglich und ihm angemessen ist, und dass zweitens die Attraktivität der Hamburger Innenstadt auch als Kulturstandort gestärkt wird.