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Pressemitteilung der HAK: „Hamburger Klassenhaus“ kann keine generelle Lösung für Schulerweiterungen sein

Anlässlich der Bilanz des Senats zum Hamburger Schulbauprogramm hat die HAK sich am 19. August 2022 in einer Pressemitteilung wie folgt insbesondere zum sogenannten Hamburger Klassenhaus geäußert:

Bilanz des Schulbauprogramms: „Hamburger Klassenhaus“ kann keine generelle Lösung für Schulerweiterungen sein

Hamburg, den 19. August 2022

Finanzsenator Andreas Dressel und Schulsenator Ties Rabe haben eine positive Bilanz für den Hamburger Schulbau des letzten Jahres gezogen. Die Hamburgische Architektenkammer (HAK) begrüßt die Entwicklung grundsätzlich, kritisiert jedoch den vermehrten Bau des „Hamburger Klassenhauses“. Aus Sicht der Kammer kann das Hamburger Klassenhaus keine generelle Lösung sein für den steigenden Raumbedarf Hamburger Schulen infolge wachsender Schüler*innenzahlen. Zahlreiche Punkte sprechen dagegen:

• Zwar lässt die Modulbauweise eine gewisse Flexibilität in Grundrissen und Fassadenbild zu, insgesamt ist eine solche Standardlösung jedoch viel zu schematisch und damit ungeeignet, auf die jeweiligen Anforderungen der unterschiedlichen Schulen und ihrer Standorte einzugehen. So wird nicht berücksichtigt, dass Grundschüler*innen andere Räume benötigen als solche der Mittel- oder Oberstufe.
• Auch wenn im Klassenhaus sogen. Kompartments umgesetzt wurden und Gruppenräume angeboten werden, ist die Struktur zu streng, um auf die pädagogischen Konzepte der Schulstandorte eingehen zu können. Durch die Gebäudegeometrie können keine größeren Cluster ausgebildet werden und der Spielraum für offene Lernräume ist sehr begrenzt.
• Die drei Größen (900, 1350 und 1800 Quadratmeter Nutzfläche) des standardisierten Klassenhauses reichen nicht aus, um den jeweiligen Platzbedarf passgenau zu decken, insbesondere, da bei Standorterweiterungen zumeist nicht nur Klassenräume benötigt werden, sondern auch Flächen für den Ganztag (Mensaerweiterungen), Fachräume, Verwaltungsbereiche etc.
• Erweiterungen von Schulen erfolgen meist auf dem vorhandenen Schulgrundstück. Dies bedeutet, dass Teile der Schulhöfe bebaut werden – Flächen, die den Schüler*innen dadurch nicht mehr als Freiraum zur Verfügung stehen. Es ist deshalb unabdingbar, dass Schulerweiterungen so passend wie möglich für den jeweiligen Standort entworfen werden, um möglichst wenig Fläche zu okkupieren. So haben Hamburger Architekt*innen erfolgreich Erweiterungsbauten entwickelt, die z.B. ganz oder teilweise auf Stützen stehen, oder sich geschickt an den Bestand angliedern und so nur wenig Schulhoffläche verbauen. Das Hamburger Klassenhaus kann, aufgrund seiner starren Grundform, nicht auf grundstücksbezogene Besonderheiten reagieren. Hierdurch entstehen teilweise nicht nutzbare (z.B. nicht einsehbare) Freiflächen und es werden teilweise auch mehr Flächen überbaut als bei einer standortbezogenen Planung.
• Mittlerweile werden sogar mehrere Klassenhäuser an einem Standort nebeneinander gebaut. Eine solche Addition von Klassenhäusern ist wenig nachhaltig, weil einerseits übermäßig Fläche verbraucht wird und andererseits das Verhältnis von Nutzfläche und Hüllfläche sehr ungünstig ausfällt. Gerade bei größerem Neubaubedarf an Schulstandorten sollte also nicht mit Standardlösungen gearbeitet sondern individuell geplant werden – zum Wohle der Kinder und der Umwelt.
• Erweiterungsgebäude, die dauerhaft errichtet werden, müssen in ihrer architektonischen Gestaltung auf die bestehenden Schulgebäude, die nicht selten unter Denkmalschutz stehen, abgestimmt werden. Der vorgefundene Städtebau kann mit dem Klassenhaus meist nicht angemessen ergänzt werden. Dass beim Hamburger Klassenhaus lediglich
zwischen verschiedenen Fassadenmaterialien (Holz, Klinker, Putz) gewählt werden kann, ist zu wenig. Gestalterisch unzusammenhängende, dissonante Schulkomplexe können keine Lösung sein.
• Das Hamburger Klassenhaus ist nicht günstiger als ein von Architekt*innen maßgeschneiderter Erweiterungsbau, der ganz spezifisch auf alle Anforderungen eingeht und zum Standort passt. Einziger Vorteil des Hamburger Klassenhauses ist die schnellere Bauzeit, die laut Schulbau Hamburg 21 Wochen betragen soll. Ob diese verkürzte Bauzeit jedoch in der Praxis tatsächlich erreicht wird, erscheint angesichts massiver Material-, Logistik- und Arbeitskräfteprobleme in der Bauwirtschaft zweifelhaft.
Die Hamburgische Architektenkammer wünscht sich deshalb, dass von den Verantwortlichen stets genau und in Abstimmung mit allen am Schulbau Beteiligten geprüft wird, wo und wann der Einsatz des Hamburger Klassenhauses vertretbar und wo eine ortsangepasste, maßgeschneiderte Architekt*innen-Planung sinnvoller ist.