Hamburg, den 16. Juni 2016
Die Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer, Karin Loosen, hat sich in einem Brief an alle Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft gewandt. Anlass ist der von den Fraktionen von SPD und Grünen als Drucksache 21/4698 eingebrachte Antrag zum sogenannten „Hamburger Effizienzwohnungsbau“, über den im Parlament am 15./16. Juni beraten und abgestimmt wird.
Die im Antrag angerissene Frage, wie Neubauwohnungen geschaffen werden können, die zu „Anfangsmieten zwischen 8 und 9 Euro nettokalt pro Quadratmeter angeboten werden können“, ist aus Sicht der Architektenkammer essentiell. Es ist dringend erforderlich, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen für Menschen, die sich die derzeit üblichen Anfangsmieten von 12 Euro in normaler Wohnlage nicht leisten können. Allerdings zeigt der vorliegende Antrag keinen überzeugenden Weg dorthin auf. In dem Brief hat die Kammer deshalb ihre Position dargelegt:
Kostengünstiger Wohnungsbau scheitert in Hamburg derzeit nicht, wie im Antrag suggeriert, allein an gestiegenen Baukosten, sondern an mehreren ihm zuwiderlaufenden Faktoren:
· Ein begrenztes Flächenangebot führt zu einer Verteuerung der Grundstücke. Hier ist die Stadt in der Pflicht, gegenzusteuern und eine aktivere Bodenpolitik zu betreiben, in dem sie verstärkt Bauland für den Wohnungsbau ausweist und auch selbst zu moderaten Preisen veräußert.
· Langwierige Bebauungsplanungsverfahren und teilweise problematische und zeitintensive Baugenehmigungsverfahren. Sie resultieren nicht allein aus komplizierten Prozessabläufen, sondern auch aus einer zu geringen Personaldecke in den Planungs- und Bauämtern der Bezirke.
· Immer weiter steigende Standards und Auflagen im Wohnungsbau. Statt auf eine Prüfung der Begrenzungsmöglichkeiten zu drängen, sieht der Antrag weitere kostensteigernde Vorgaben vor, etwa eine mögliche Erhöhung energetischer Auflagen über die derzeit geltenden Standards hinaus oder die Installation von Gründächern, Photovoltaik und Solarthermie.
Eine Überprüfung der kostentreibenden Faktoren im Wohnungsbau wäre dringend erforderlich. Stattdessen wird der Antrag einseitig auf eine Kostensenkung durch „Typisierung und Standardisierung“ fokussiert. Unbelegt werden hierbei Einsparpotentiale bei den Baukosten von bis zu 40 Prozent genannt. Solche Größenordnungen erscheinen unglaubwürdig, auch, weil die Planungskosten nachweislich nur einen geringen Teil der Gesamtkosten eines Bauprojekts ausmachen. Optimierungen in diesem Bereich sind sinnvoll und werden unter dem hohen Kostendruck von Wohnungsbauunternehmen, Architekten, Handwerk und Bauindustrie bereits jetzt vorgenommen.
Auch muss definiert werden, was unter Typisierung und Standardisierung zu verstehen ist. Hamburg sollte nicht zu einem Wohnungsbau zurückkehren, bei dem immer gleiche Bauten aneinandergereiht werden und städtebauliche und stadtplanerische Aspekte zu kurz kommen. Zahlreiche Großwohnsiedlungen der 1960er und 1970er Jahre legen noch heute davon Zeugnis ab, wohin eine Uniformierung des Planens und Bauens führen kann. Ein Städtebau der vereinheitlichten Bauweisen orientiert sich wenig bis gar nicht am Ortscharakter, der aus lokalen städtebaulichen Strukturen, Gebäudehöhen, Fassaden, Erschließung, Topographie, Baumbestand etc. gebildet wird.
Die Erfahrungen mit den „Flüchtlingsunterkünften mit der Perspektive Wohnen“ (sogenannter „Express-Wohnungsbau“) zeigen, dass die Verwendung vermeintlich bewährter Bautypologien und auch ein reduzierter Planungsvorlauf unter Qualitäts-, Akzeptanz- und Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten problematisch werden können. Diese Erfahrungen sollten unbedingt in die zu entwickelnden Handlungsgrundsätze einfließen.
Die Hamburgische Architektenkammer begrüßt und unterstützt einen grundlegenden Diskurs über kostentreibende Faktoren im Wohnungsbau. Erschwinglicher Wohnungsbau für Haushalte mit mittleren und geringen Einkommen ist eines der herausragenden Ziele der aktuellen Stadtentwicklung. Wir regen daher an, dieses Thema in den dafür zuständigen Stadtentwicklungsausschuss der Bürgerschaft zu überweisen, mit der Absicht, dort eine fachlich untersetzte, ergebnisoffene öffentliche Anhörung und Diskussion unter Einbeziehung von Experten, Bürgern und Politikern durchzuführen. Die HAK bietet hierfür ihr Know-how und ihre Unterstützung an.